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meine Neigung dahin sey: ich konnte aber genugsam abnehmen, da&szlig; nimmermehr an ihre<br />
 
meine Neigung dahin sey: ich konnte aber genugsam abnehmen, da&szlig; nimmermehr an ihre<br />
 
Einwilligung w&uuml;rde zu denken seyn, mich zur Gemeine gehen zu la&szlig;en, ohne sie, die ich doch wie<br />
 
Einwilligung w&uuml;rde zu denken seyn, mich zur Gemeine gehen zu la&szlig;en, ohne sie, die ich doch wie<br />
mein Leben<br />
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mein Leben liebte, auf das &auml;u&szlig;erste zu betr&uuml;ben. Allein eines Tags, da ich fr&uuml;h nach Ge-<br />
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wohnheit meinen Vater aus dem neuen Testament vorlas, und zu den Worten des Heilands kam:<br />
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Wer Vater oder Mutter mehr liebet denn mich, der ist mein nicht werth: wurde ich so ger&uuml;hrt,<br />
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da&szlig; ich das Buch hinlegte, als ob ich was nothwendiges zu bestellen h&auml;tte, eilte in meine Stube<br />
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und schrieb einen Brief an meinen Vater &uuml;ber diese Worte, declarirte ihm zugleich auf die be-<br />
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weglichste und submihsete Weise mit vielen Thr&auml;nen, da&szlig; ich den g&ouml;ttlichen Ruf in meinem<br />
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Herzen nun nicht l&auml;nger wiederstehen k&ouml;nne, ich w&uuml;rde unverz&uuml;glich mich aufmachen und fortgehen<br />
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nach Herrnhaag. Augenblicklich ging ich auch, ohne mich weiter nach etwas umzusehen fort, nahm<br />
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den Brief mit und schickte Ihn erst aus dem n&auml;chsten Dorf in meiner Elltern Haus zur&uuml;ck:<br />
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So k&uuml;hn und au&szlig;erordentlich nun dieses Unternehmen aussahe und so schwer es mir zu stehen kam,<br />
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(denn meine Elltern schickten mir sogleich nach und lie&szlig;en mich von Frankfurth aus zur&uuml;ck<br />
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holen) so war doch dieses das n&auml;chste Mittel gewe&szlig;en, mich los zu machen. Denn verst&auml;ndige<br />
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Leute gaben meinen Elltern den Rath, sie sollten mich nur auf eine kurze Zeit nach Herrnhaag<br />
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schicken, es sey gar nicht zu zweifeln, ich w&uuml;rde dort meinen Irrthum bald selbst einsehen<br />
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und so auf immer davon curirt werden. Zufolge dieses guten Rahts, wurde ich in aller<br />
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Geschwindigkeit und auf das liebreichste auf einen Besuch nach Herrnhaag gebracht.<br />
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Der 5te November 1744 war der gl&uuml;ckselige Tag, da ich in Marienborn ankam, da ich die ersten<br />
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Geschwister sahe und da mich ein Friede Gottes umgab und ein Gef&uuml;hl des Gemein Geistes, das mir<br />
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noch immer neu ist, so oft ich daran dencke. Die Pilger Gemeine war just da, und der Heiland<br />
 
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Revision as of 15:56, 23 February 2018

allein auf dieser Welt liebhaben, und hundertmal muste ich von neuem wieder gewahr werden
daß es doch nicht wahr sey und daß geschwinde wieder was anders meine unzuverlässige Seele und
Gemüth einnehmen konnte. So ging ich etliche Jahre hin, in einem beständingen Lamentiren
über mich selbst und über die verlorene Vertraulichkeit mit dem Heiland und alles wurde mir zuwi-
der, was sonst der Jugend in der Welt zum Vergnügen dienen kann.
Um die Zeit kamen mir die berlinischen Reden in die Hände und waren mir zu großem Trost
und Segen. Auch hörte ich viel reden von einem gewi0en neuen Ort in der Wetterau, Herrnhaag
genannt, welchen die Herrnhuther anfingen zu erbauen und fühlteeine unbeschreibliche Freude
darüber. Wiewol es die verächtlichsten Beschreibungen waren, die man mir von der Gemeine
machte; so glaubte ich immer das Gegentheil und fühlte gar zu gut daß dieses <hi rend="underline">mein</hi> Volck
wäre, mit dem ich leben und sterben wollte, ob ich gleich noch nie keinen Bruder oder Schwester gesehen
hatte, und mein einziger Kummer war nur der: wie wird das möglich seyn dahin zu gelangen?
Indeßen ließ ich keine Gelegenheit vorbey gehen, da ich nicht meinen Elltern etwas äußerte,
von meinen Ideen über die neue Erscheinung des Reiches Gottes auf Erden und wie großm
meine Neigung dahin sey: ich konnte aber genugsam abnehmen, daß nimmermehr an ihre
Einwilligung würde zu denken seyn, mich zur Gemeine gehen zu laßen, ohne sie, die ich doch wie
mein Leben liebte, auf das äußerste zu betrüben. Allein eines Tags, da ich früh nach Ge-
wohnheit meinen Vater aus dem neuen Testament vorlas, und zu den Worten des Heilands kam:
Wer Vater oder Mutter mehr liebet denn mich, der ist mein nicht werth: wurde ich so gerührt,
daß ich das Buch hinlegte, als ob ich was nothwendiges zu bestellen hätte, eilte in meine Stube
und schrieb einen Brief an meinen Vater über diese Worte, declarirte ihm zugleich auf die be-
weglichste und submihsete Weise mit vielen Thränen, daß ich den göttlichen Ruf in meinem
Herzen nun nicht länger wiederstehen könne, ich würde unverzüglich mich aufmachen und fortgehen
nach Herrnhaag. Augenblicklich ging ich auch, ohne mich weiter nach etwas umzusehen fort, nahm
den Brief mit und schickte Ihn erst aus dem nächsten Dorf in meiner Elltern Haus zurück:
So kühn und außerordentlich nun dieses Unternehmen aussahe und so schwer es mir zu stehen kam,
(denn meine Elltern schickten mir sogleich nach und ließen mich von Frankfurth aus zurück
holen) so war doch dieses das nächste Mittel geweßen, mich los zu machen. Denn verständige
Leute gaben meinen Elltern den Rath, sie sollten mich nur auf eine kurze Zeit nach Herrnhaag
schicken, es sey gar nicht zu zweifeln, ich würde dort meinen Irrthum bald selbst einsehen
und so auf immer davon curirt werden. Zufolge dieses guten Rahts, wurde ich in aller
Geschwindigkeit und auf das liebreichste auf einen Besuch nach Herrnhaag gebracht.
Der 5te November 1744 war der glückselige Tag, da ich in Marienborn ankam, da ich die ersten
Geschwister sahe und da mich ein Friede Gottes umgab und ein Gefühl des Gemein Geistes, das mir
noch immer neu ist, so oft ich daran dencke. Die Pilger Gemeine war just da, und der Heiland