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erworben und gewonnen bin von Sünd und Tod, mit dem kostbaren, unschuldigen Blut, das geht mir über
alles in Zeit und Ewigkeit.
So viel hat uns diese theure Magd Jesu, von dem was der Herr an Ihrer Seele gethan
hat, schriftlich hinterlaßen: Wie viel wäre nun noch zu sagen, von denen ausnehmenden
Gnadenbeweisen, wodurch Er ihren Dienst an so viel hundert Seelen gesegnet hat, und von denen
köstlichen Gaben, womit Sie von Gott ihrem Schöpfer ausgeschmückt war. Sie war aber eine
Elende des Herrn, die keinen Gefallen an sich selber hatte und nichts von Lob und Ehre bey Men-
schen wißen wollte, sondern ihre größte Seligkeit in der Niedrigkeit des Herzens und wahren Geistes
Armuth fand, und alles für unverdiente Gnade achtete. Daher soll Er, der alles an Sie gewendet
hat, tausend Danck und Lob von uns haben, für ihren schönen Gnadengang und für alles was Er uns
durch Sie geschencket hat. Uebrigens ist ihr edler Charackter und die Gnade und Salbung die
auf ihr geruhet, so wie ihr seliges Herz, das ganz im Heiland lebte, nicht nur aus ihren schönen
Liedern, sondern aus ihrem ganzen Wesen, Worten und Wandel, genugsam bekannt worden.
Nachdem sie 18 Jahr lang dem Mädgenhauß, mit unermüdeter mütterlicher Sorgfalt und Treue
als Pflegerin vorgestanden; kam Sie bey der Abreise unsrer geliebten seligen Caritas nach Zeist an ihre
Stelle als Helferin des ledigen Schwestern Chors allhier und zog am 6ten October 1766 im Chorhauß ein.
Anno 1764 und 1769 wohnte sie den beyden Synodis in Marienborn mit bey und besuchte bey der durchreise
zu ihrem besonderen Vergnügen die Chorhäuser der ledigen Schwestern in Ebersdorff und Neudietendorff,
so that sie auch in den darauf folgenden Jahren einige gesegnete Besuche in Neusalz und Gnadenfrey.
Uebrigens hat ihr lieber Chor in Herrnhuth, sie seit 16 Jahren unverrückt bey sich gehabt und ihre mütterliche und treue
Pflege auf eine nicht zu beschreibende uns aber unvergeßliche Weise genoßen. Dabey lag ihr das
Wohl der ganzen Brüder Unität, der hiesigen Gemeine und insonderheit aller ledigen Schwestern Chöre so nah
am Herzen, daß sie dasselbe nicht nur in ihrem Gebet dem Herrn fleißig vortrug, sondern auch
mit größter Angelegenheit beständig darüber dachte, was etwa zur Erfüllung Seines Gnadenraths
dienlich und beförderlich seyn könnte; auch in den Gemein Conferenzen theilte sie die ihr vom Heiland
geschenkten Einsichten in Seine Sache treulich mit. Schon seit vielen Jahren hatte sie durch eine
Verkältung einen sehr beschwerlichen Husten bekommen, welcher von Jahr zu Jahr zunahm und wo-
bey sie immer schwächlicher wurde, dennoch verrichtete sie ihre Geschäfte mit ausnehmender Heiterkeit
und dachte wenig an sich selbst; dabey aber vermehrte sich immer mehr das zarte Sehnen ihres Herzens
bald zu dem Freund zu kommen, mit dem sie so genau verbunden war und Er selbst muste ihre Seele
oft schweigen und zur Geduld verweisen, worüber sie sich öfters schriftlich und mündlich gar herzrührend
ausdrückte. In einem Schreiben welches sie schon vor 3. Jahren an ihre leibliche Schwester abgefaßt, heißt
es unter anderem: Ich warte daß ich bald zu meinem lieben Heiland gehen werde, nicht nur meine Leibes-Kräfte
nehmen sehr ab, sondern ich verspüre auch ein ausserordentliches Sehnen in meiner Seele, daheim zu
seyn bey dem Herrn, dieses ist mit einer lebendigen fröhlichen Hoffnung verbunden, da es immer so in mei-
nem Herzen heißt: Amen,! es wird geschehen bald werd ich Jesum sehen. Wenn sie in ihren verbindlichen
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freundschaftlichen Umgange in welchem immer Herz zu profitiren war, auf die
Materie vom Heimgehen und von der vollendeten Gemeine kam: so war sie recht in ihrem Element
und sie erinnerte sich gar zu gern derer lieben Herzen, die ihr dahin vorangegangen, sonderlich an den
lieben seligen Jünger und die selige Schwester Caritas. Zu Anfang dieses Jahres äusserte sie ziemlich gewiß ihre
Hoffnung, daß dieses das lezte ihres Lebens seyn werde. Ihre Schwachheit nahm auch merklich zu, und
sie wollte sich nun keiner Mittel mehr bedienen, weil die bisherigen ohne guten Effekt waren.
Mit ihrer Seele aber beschäfftigte sich ihr treuer Arzt in dieser Kränklichkeit auf eine ganz eigene Art Weise
worüber sie sich gegen eine vertraute Freundin auf folgende Weise äusserte: "Ich bin gegenwärtig
in einer sehr wichtigen Zeit, der Heiland hält Schule mit mir und will mir gerne den geringsten Staub
zeigen, der Ihm an mir mißfällig ist. Ich habe meinen ganzen Gang so durchgedacht und gefunden,
daß ich die ausserordentliche Barmherzigkeit, die der Heiland an mir gethan hat, lange nicht so angewendet
habe, wie ich gekonnt hätte; ich schäme mich über meine Trägheit und nachläßigkeit in den kostbaren
Dienst, den Er mir aus Gnaden anvertrauet hat, und sonderlich auch darüber, daß ich Seine Liebe nicht
immer so klein, so zerfloßen und Würmleinshaft angenommen. Er hat mir in dem licht Seiner Wunden,
gar manche Eigenheiten gezeigt, davon ich durch Sein Blut muß bereiniget werden; daher ich mich
von Herzen sehne noch einmal hinnieden eine rechte Absolution vom Heiland zu empfangen."
Da nun eben die selige Marterwoche eintrat und sie nicht mehr ausgehen konnte, so wünschte sie das
Pedilavium zu dem Zweck in ihrer Stube zu haben. Dieses geschahe dann vor dem Grün-Donners-
tag   Herz vielen Thränen und in der
innigsten Gegenwart des Heilands; wovon sie nachher bezeugte, daß Er ihr darauf ein rechtes Sünder
Siegel aufgedrückt habe. Am 4ten May genoß sie noch mit ihrem lieben Chor gemeinschaftlich den
Leib und Blut unsers Herrn. Ihren Geburtstag am 22ten beging sie wohl sehr schwach doch wie
ein frohes Kind und war sonderlich sehr vergnügt über die schöne Loosung des Tages: Sie werden
weder Hungern noch Dürsten - Denn ihr Erbarmer wird sie p und als ihr dieselbe Abends
auf den Gang vor ihrer Stube von den Schwestern lieblich musicirt und gesungen wurde, ging sie hin-
aus und ließ noch zum leztenmal ihre Stimme unter ihrem Chor hören mit einigen Versen,
die gleichsam als ihr Valet-Segen von den Schwestern mit großer Bewegung gesungen wurden.
Am 19ten Juni da sie sich des Heimgangs-Tags der lieben seligen Mama viel erinnert hatte, ermunterte
sie sich Abends noch aus ihrer großen Schwachheit und hielt die gewöhnliche Conferenz der Vorge-
sezten
, in welcher sie eine uns sehr eindrücklichen und sünderhaften Abschied machte; die Sch-
aufruffe den Heiland mit ihr zu danken und sich mit ihr zu freuen über ihr großes Glück. Der
Verlaß war: "Wir bleiben ungeschieden, ich gehe zum Heiland Ihn leiblich zu sehn und ihr meine lieben
Schwestern bleibt ungesehn recht veste an Ihm hangen, bis mir eins nach dem andern nachkommt."
Als in den folgenden Wochen die lieben Geschwister der zeitherigen Unitäts Aeltesten Conferenz und so manche
andere liebe Bekannten aus andern Gemeinen hier ankamen und die liebe Louisel nach und nach besuchten
freute sie sich herzlich sie noch einmal zu sehen und bezeugte ihre Liebe auf eine sehr gefühlige
Weise; sie nahm auch noch besonderen Antheil an dem Synodo der Brüder Unität und segnete
denselben

Register.